Am Abgrund, unter Huftieren, Bienen und Tänzern
 

An Tag 2 ging es erst mal durch eine im Vergleich zum Tal wieder etwas kärgere Landschaft auf ein nahegelegenes Plateau. Ziel war ein Aussichtspunkt zum Nachbartal, von dem ich am Abend davor schon recht spektakuläre Bilder gesehen hatte. Die eine oder andere farbenfrohe Pflanze gab es aber trotzdem.






Am Weg selbst war nicht so viel zu sehen. Doch dann kam die Kante. Rechts dünne, aber hohe Wasserfälle und nach tiefem Durchatmen und einigen weiteren beherzten Schritten ein Regenbogen in der Tiefe. Und... der Sattel. Davon gab es am Tag davor Fotos. Theoretisch kann man wahnsinnig beeindruckende Fotos machen, wenn man auf den vorstehenden Felsen sitzt. Sofern man Leute dabei hat und sich traut. Beides war bei mir nicht der Fall :-D
Ich habe mich also nur zwei, drei Meter vom Rand aufgestellt und den Ausblick über das Tal genossen.








Vom überhängenden Felsen ca. 100 Meter weiter konnte man sich die Wasserfälle noch genauer anschauen, so wie hier von einer Reisegruppe mit Führer demonstriert. Ich selbst habe mir, als ich ein paar Minuten später dort war, eine Stelle ein wenig weiter rechts ausgesucht, statt über die gerade Kante habe ich an der Ecke nach unten gespäht. Ging doch ziemlich weit nach unten... Puls von 160 und leichtes Hyperventilieren hielt ich einige Sekunden aus, dann ging es wieder auf allen Vieren einen halben Meter und dann noch zwei, drei Schritte zurück.








Damit war das Tagesziel auch schon erreicht und ich machte mich auf den Rückweg ins Tal, stolz darauf, wie weit ich über meinen eigenen Schatten gesprungen bin. Das größte Hindernis war ein verschlossenes Holztor, das leider auch einem Maultier oder Maulesel den Weg versperrte. Vielleicht doch ein Pferd, keine Ahnung. Ich kann das nicht unterscheiden und das versprochene WiFi im Bus, in dem ich gerade schreibe, verbindet sich nur sehr spärlich mit dem Internet. Den Unterschied zu googeln bleibt damit dem Leser überlassen ;-)
Auf jeden Fall wollte es da durch und schob immer wieder mit seinem Hals gegen das Tor. An ein nicht wirklich gut gelauntes pferdeartiges Tier von hinten herantreten kam mir nicht wie eine gute Idee vor, also habe ich es mit ein wenig Gras weggelockt und bin durch das Tor geschlüpft. Aufgrund der Spuren auf der anderen Seite, Hufabdrücke und Pferdeäpfel, vermutete ich, dass das Tier ausgesperrt war, also habe ich es auch anschließend auch noch durchgelassen.





Bei schöner Aussicht auf den Weg zurück gab es noch einen Snack und ein Selfie. Die Überlegung "ich bin jetzt seit Monaten in Südamerika, ich komme wohl ohne Sonnencreme aus" war offensichtlich falsch, deshalb das Halstuch im Nacken. Für den nächsten Tag konnte ich mir zum Glück im Hostel Sonnencreme organisieren. Hier noch eine Aufnahme des farblich unterschiedlichen Lehmbodens. Wie ich bereits in Iguazu festgestellt habe, mag ich andersfarbigen Boden. Interessant, was man beim Reisen für neue Seiten an sich entdeckt :-D








Auf dem Rückweg bin ich für den Sonnenuntergang noch auf dem gestern erwähnten Hügel mit dem Aussichtspunkt vorbei. Zwischen den grünen Bäumen sieht man einige lila blühende. Den Namen habe ich vergessen, habe mir aber erklären lassen, dass dieser irgendeinen christlichen Hintergrund hat. Die Bäume blühen ungefähr zu Ostern und haben genau die passende Farbe (kam mir aus dem Konfirmationsunterricht irgendwie bekannt vor, aber generell kenne ich mich hier so gut aus wie bei Maultieren). Außerdem sieht man noch die wenigen Ansammlungen von Häusern. Früher lebten hier einige Leute von der Landwirtschaft, heute sind es laut eines Führers, der im Hostel beim Abendessen ein wenig erzählt hat, noch 11 Familien mit weniger als 100 Mitgliedern, die sich eher um den Tourismus kümmern und die Bananen nur noch nebenbei anpflanzen und ernten.






Auf dem Rückweg bin ich noch am Hostel der ersten Nacht vorbei und habe etwas zurückgelassenen Proviant aufgesammelt. Der für mich völlig überdimensionierte Schlafsaal ist vorne, hinten der Küchen- und Sitzbereich.




Ein paar Meter weiter kam mir ein einglisch-polnisches Paar entgegen. Ohne Schuhe. Seltsam, dachte ich mir. Sie fragten mich nach dem Weg. Nach ein wenig Diskussion und Vorzeigen meiner digitalen Karte hatte ich sie überzeugt, dass sie in der falschen Richtung unterwegs waren. Auf dem Weg zu ihrer Abzweigung erzählten sie mir, was passiert war. Sie hatten eine Abkürzung gesucht und dabei offenbar ein Bienenvolk aufgescheucht. Keine von den freundlichen, gelb-schwarz gestreiften Bienen, sondern kleinere, schwarze. Scheinbar die afrikanische Variante. Sie wussten sich nur zu helfen, indem sie ihre Rucksäcke nahe des Flusses fallen ließen und abwechselnd schwimmend und tauchend durch das Wasser flohen. Nah an einem allergischen Schock kamen beide an der nächsten Unterkunft an, wie ich später erfahren habe, zitternd am ganzen Körper und mit jeweils mindestens 50 Stichen allein am Kopf. Die Gäste dort haben sie mit Kleidung ausgestattet, gerade waren sie auf dem Weg, ihre Sachen zurückzuholen. Kurz vor Dämmerung und ohne Licht. Zwar hatte ich selbst noch eine Stunde zu gehen, der Weg war aber recht klar, also habe ich ihnen meine Stirnlampe da gelassen. Sie versprachen, die Stirnlampe genau wie die geliehene Kleidung am nächsten Morgen vorbeizubringen, was sie auch getan haben. Sowohl da als auch nochmal einen Tag später, als ich ihnen das letzte Mal über den Weg lief, haben sie sich überschwänglich bedankt und betont, dass sie ohne die Stirnlampe wohl nie ihre Rucksäcke gefunden hätten. Ich lächle gerade beim Schreiben wieder mal über den Gedanken, den beiden geholfen zu haben :-)

Dank Handytaschenlampe kam ich ebenfalls gut im Hostel an. Nach dem Abendessen wurde es noch ziemlich lustig. Eine Reisegruppe hatte ihren Guide und eine Brasilianerin aus der Gruppe überredet, ihnen Forro beizubringen, einen brasilianischen Paartanz. Nach anfänglicher Schüchternheit tanzte der größte Teil der internationalen Gäste und sogar die Wirtsleute. Hat so richtig Spaß gemacht. Die Fotos sind nicht besonders gut geworden, die Videos des Abends zeige ich aber nur offline und auf persönliche Rückfrage :-P




Damit habe ich zumindest schon die Grundschritte von Forro und Tango gelernt, ich bin gespannt, welche Tänze ich auf meiner Reise sonst noch ausprobiere.